Ende des 19. Jahrhunderts, New York City. Zwei Männer kämpfen um die Zukunft des Stroms. Auf der einen Seite Nikola Tesla, der leise Visionär. Tesla glaubt an die Kraft des Wechselstroms: effizient, sicher, in der Lage, weite Distanzen zu überbrücken. Auf der anderen Seite Thomas Edison, der unermüdliche Erfinderkönig, Verfechter des Gleichstroms. Edisons Technik ist teuer, kompliziert und weniger praktikabel. Aber Edison ist präsent und laut, ein Meister der Bühne.

Tesla spricht mit serbischem Akzent, verliert sich in Gedanken, zeichnet Maschinen, die Jahrzehnte zu früh kommen. Wenn er redet, verliert er sein Publikum. Edison dagegen weiß, wie man eine Bühne baut. Er inszeniert sich. Er führt vor, er schockt, er kontrolliert die Schlagzeilen. Bei seinen berüchtigten Vorführungen lässt er Tiere mit Wechselstrom töten – um zu zeigen, wie „gefährlich“ Teslas Technik sei. Er spricht mit der Presse, kultiviert sein Image als „Erfinder-Genie“ und sichert sich so den Rücken von Geldgeber:innen und Öffentlichkeit. Während Tesla an der Zukunft tüftelt, kontrolliert Edison die Gegenwart.

Am Ende siegt Teslas Idee, jedoch nicht Tesla selbst. Der Wechselstrom elektrifiziert die Welt – doch die Lorbeeren gehen an andere. Tesla stirbt 1943, allein, pleite, in einem New Yorker Hotelzimmer. Edison dagegen bleibt in den Schulbüchern: Als der Mann, der uns das Licht brachte.

Die Geschichte der Babble Hypothesis

Die Geschichte klingt wie eine Tragödie, ist aber ein Muster. Die Babble Hypothesis beschreibt, dass in Gruppen meist nicht die besten Argumente zählen, sondern die Stimmen, die am meisten zu hören sind. Wer viel redet, gilt automatisch als kompetenter, durchsetzungsstärker, führungsfähiger, unabhängig davon, ob das Gesagte Substanz hat. Eine neuere empirische Untersuchung der Binghamton University in New York bestätigt die Kernaussagen der Babble Hypothesis: In Kleingruppen sagt die Redezeit signifikant voraus, wer als Führungsperson wahrgenommen wird. Unabhängig von Intelligenz, Persönlichkeit, Geschlecht oder nachweisbarer Kompetenz.

Das hat Folgen. Denn wer früh redet, prägt das Gespräch. Wer den Raum füllt, wird gehört. Und wer gehört wird, hat Einfluss. Aus Einfluss wird Macht. So verschieben sich die Gewichte – nicht nach Qualität, sondern nach Präsenz.

Die Lauten und die Leisen

Hinzu kommt: Nicht alle dürfen gleich laut sein. Männer sprechen in gemischten Gruppen nachweislich länger, werden seltener unterbrochen und häufiger zitiert. Frauen werden öfter überhört, nicht, weil sie weniger zu sagen hätten, sondern weil sie anders sprechen. Leiser, reflektierter, mit Pausen, die in unserer Kultur gern als Unsicherheit gelesen werden. So reproduziert sich das Muster: Wer ohnehin als kompetent gilt, bekommt noch mehr Raum.

Und das verändert, woran wir uns erinnern.

Denn Macht ist selten rohe Dominanz. Sie ist die Fähigkeit, Aufmerksamkeit zu lenken. Wer die Deutungshoheit über eine Geschichte hat, entscheidet, wessen Beitrag bestehen bleibt und wessen verschwindet. So schreibt sich Geschichte mit Lautstärke.

Was das für uns bedeutet

Die Babble Hypothesis ist unbequem, weil sie an unserem liebsten Mythos kratzt – dem vom „Besten, der sich durchsetzt“. Sie zeigt: Erfolg folgt nicht nur Können, sondern auch Klang. Er entsteht aus Präsenz, Timing, Wiederholung.

Darum gewinnen in Meetings oft nicht die klügsten Ideen, sondern die lautesten Stimmen. Darum verschwinden Teslas – die Leisen, die Zögerlichen, die Nachdenklichen – in den Fußnoten der Geschichte.

Wir sind mit New Success inzwischen ein gutes Stück weiter, doch genau solche Beobachtungen werden uns helfen, die Idee weiter zu schärfen. Wie sich Erkenntnisse wie die Babble Hypothesis in unsere Lösung einfügen – das werden wir bald sehen. Danke fürs Mitlesen!


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